Michael Scharang

 

Die Wagenburg oder Die Flüchtlinge von Ratz

 

Inhalt

Ein Pfarrer mit Frau und Kindern, ein Großbauer ohne Arbeiter, ein Bürgermeister, der kein Problem damit hat, gegen das Gesetz zu verstoßen, wenn es der Sache dient - vor diesem Hintergrund erzählt Michael Scharang die märchenhafte Geschichte, wie das kleine Dorf Ratz dank Flüchtlingen zu neuem Leben erblüht.

Suleman ist gelernter Bäcker. Nachdem sein Asylantrag abgelehnt wurde, flüchtet er aus Wien nach Ratz, einen kleinen, beinahe ausgestorbenen Ort nahe der tschechischen Grenze. Er eröffnet eine Bäckerei und nach und nach kommen immer mehr Flüchtlinge in den Ort. Sie arbeiten im Wirtshaus, gründen viele neue Geschäfte, ein Hotel, eine landwirtschaftliche Genossenschaft und plötzlich scheint sich in Ratz jedes Problem in nichts aufzulösen. Doch die Gefahr von außen lauert, die Behörden drohen einzuschreiten und der Kampf um Ratz beginnt.

In "Die Wagenburg" entwirft Michael Scharang eine bessere Wirklichkeit: Humorvoll, kritisch und ironisch erinnert er daran, dass unsere Gesellschaft nicht so bleiben muss, wie sie ist.

Leseprobe

Was für ein schöner Tag, sagte der Pfarrer zu sich, als er aus der Kirche trat. Es war der Freitag der ersten Maiwoche. Man schrieb das Jahr 2020. Der Pfarrer, er war um die dreißig, ging von der Kirche, die in der Mitte des Hauptplatzes stand, hinüber zum Pfarrhaus. Nein, dachte er, solange die Sonne scheint, gehe ich nicht ins Büro. Und so setzte er sich auf die Bank im Vorgarten und bewunderte die Pracht. Die Kospen waren aufgsprungen, die Rosen standen in voller Blüte. Der Pfarrer führte das darauf zurück, daß er die Stücke im April mit Pferdemist gedüngt hatte.

Er stopfte seine Pfeife. Sie war ein Geschenk des damaligen Präsidenten der Caritas, den der Pfarrer während seines Theologiestudiums in Wien kennengelernt hatte. Er hätte den Präsidenten gern zum Freund gehabt. Der war oft nach Afrika gereist und hatte, zurück in Österreich, das verheerende Wirken der westlichen Kolonisatoren angeprangert. Das war für die beiden ein wichtiges Gesprächsthema, denn der Pfarrer stammte aus Afrika, aus dem Kongo. Sein Großvater, Patrice Lumumba, hatte den Kongo in die Freiheit geführt und war deshalb ermordet worden.