Bleibt Peymann in Wien oder kommt der Kommunismus wieder
Inhalt
Das Märchen vom Volk,
das so lange andere für sich sprechen ließ,
bis ihm die Spucke wegblieb
Rot-Häute
Eine Indianergeschichte
Der letzte Versuch eines Ausländers,
Österreich zu besuchen
Vater wie wars im Krieg
und andere Fragen
Zwischendurch eine Verlautbarung
Bleibt Peymann in Wien
oder kommt der Kommunismus wieder
Peinlich, peinlich
Antwort auf einen Leserbrief
Der Endsieg des Westens über den Osten
trägt sein Ende bereits in sich
Vom Wurstel zum Würstel
Die Entwicklung eines österreichischen
Intellektuellen
Warum hat Enzensberger außer der Frisur
nichts mit Hitler gemeinsam?
Pluch oder Warum ein Name nicht
um die Welt geht
Der Kleingeist als Großinquisitor
Ein Wiener Dozent für Philosophie erklärt den
Philosophen Benjamin für abgeschafft
Literaturtratsch
Zwischendurch eine Neuigkeit
Was Neues aus der Neuen Welt?
Die Sehnsucht des Geistes nach dem Tornister
Nachrichten aus Wien:
Zwei Ereignisse in einem Frühjahr!
Lebenselixier auf dem Misthaufen
Zu Elfriede Jelineks „Lust“
„du wundern mein schön deutsch sprach?“
Zu Ernst Jandls dreibändiger Werkausgabe
Das Geschwätz von der Identität
Die Dialektik des Dialekts
Zu Ernst Jandls „stanzen“
Barbarei, 3.Auflage
Auf zum letzten (Lichter)Scheingefecht
Zum Schluß eine Annonce
Leseprobe
Nachrichten aus Wien:
Zwei Ereignisse in einem Frühjahr!
Die Macht des Faktischen wird gespeist vom beflissenen Geist, welcher von der Macht darauf dressiert wurde, das Faktische, sofern es als übermächtig erscheint, auch noch zu hofieren, sofern es als armselig gilt, auch noch zu verhöhnen. Die Weltausstellung, welche Wien ebenso bevorsteht wie eine Volksabstimmung darüber, wird als übermächtiges Spektakel angstvoll herbeigesehnt und sehnsüchtig beschworen. Ob und wie die Weltausstellung stattfinden wird, spielt allerdings keine Rolle mehr, da jetzt schon das einzig Erwähnenswerte an ihr ein Essay ist, den Rudolf Burger über sie verfasst hat und in dem der Autor die Kulissen des Spektakels beiseite schiebt, um dem ebenso verdutzten wie faszinierten Publikum zu offenbaren, was dahintersteckt: nichts; nichts als eine große gesellschaftliche Leere.
Anders liegt der Fall beim Wiener Hexenprozeß, in dem man vier Hilfskrankenschwestern der Tötung alter, schwerkranker Patienten bezichtigte und überführte. Hier wurde eine gewaltige öffentliche Empörung entfacht, damit im Rachegeschrei die Frage nach der Schuld der öffentlichen Hand untergehe. Und wieder einmal erwies sich, dass der Rechtsstaat in Händen der politischen Schreibtischtäter und des Boulevards ist. In die vor Selbstgerechtigkeit strotzende Riege der rechtssprechenden Akademiker reihten sich sogar die für die Verteidigung vorgesehenen Rechtsanwälte ein; denn es durfte kein Verfahren stattfinden, es sollte von Berufenen im Namen des Volkes gegenüber vier Frauen aus dem Volk Abscheu bekundet werden.
Doch war der ganze Aufwand umsonst. Hinter dem Rücken des Vorurteils, der so breit war, wie Österreich groß ist, fand dennoch Rechtssprechung statt, wenn auch nicht durch die Justiz, so durch Werner Vogt, der in mehreren Aufsätzen den Fall, den man gern in den Abfall gestreift hätte, als charakteristisches Ereignis festhielt.
Wahrscheinlich ist es kein Zufall, daß die beiden Verfasser der genannten Arbeiten weder dem lohnschreibenden noch dem freischaffenden Gewerbe angehören; Burger steht als Ministerialrat im Staatsdienst und wirkt daneben als Philosoph, Vogt arbeitet als Unfallchirurg und als Autor. Die in Österreich vom Schreiben leben, scheinen dahin zu tendieren, nicht mehr über das Leben zu schreiben, um schreibend überleben zu können.