Michael Scharang

 

Das doppelte Leben

Aus dem Klappentext

Wenn die Wörter „lustig“ und „lustvoll“ heute noch so verwandt wären, wie sie es vielleicht einmal waren, könnte man dies auch eine lustige Geschichte nennen: Weil die Menschen dieser Geschichte sich im gesellschaftlich vorgegebenen Lebensrahmen zu eingeengt fühlen, versuchen sie darüber hinaus eine Rolle zu spielen, probieren sie aus, was Leben sein kann. Hans, ein Wirtschaftswissenschaftler, macht das freilich auf fatale Weise. Er, dessen politischer und moralischer Anspruch vom revolutionären Geist der Studentenbewegung geprägt wurde, hat dieses Anspruchs wegen wieder einmal einen Posten verloren, und nun reicht´s ihm, nun will er die Gesellschaft nicht mehr verändern, sondern sich an ihr rächen, als Grundstücks- und Häusermakler. Er wird Kompagnon und Strohmann eines alten Freundes, der in dieser Branche einen affärenumwitterten Ruf hat. Peinlich wird dieser Racheakt, als er im Auftrag seines Freundes das Haus, in dem sein Vater wohnt und einen Altwarenhandel betreibt, aufkaufen und schleifen lassen soll. Das kann er seiner Freundin Anna schon deshalb nicht eingestehen, weil sie dort stundenweise als Restauratorin arbeitet, um sich das Geld fürs Studium zu verdienen. Er weicht in ein kompliziertes Doppelleben aus, auf das sie ebenfalls mit einem Doppellleben reagiert. Nur macht sie das mit dem Bedürfnis, dass dabei ein wirkliches Leben herauskommen möge.

Aus dem Drehbuch

(Wohnung Hans, Annas Zimmer und Vorzimmer und Stiegenhaus.- Hans sitzt in Annas Zimmer, in Gedanken versunken. Anna taucht in der Tür auf. Er tut, als bemerke er sie nicht. Anna beobachtet ihn.)

Anna:  (nach einer Weile) Bist du auf den Mund gefallen?
Hans:  Nein. Aus allen Wolken.
Anna:  Ich auch.
Hans:  (irritiert) Und wie bist du gelandet?
Anna: Recht hart.
Hans:  Ich auch.
Anna: Ist ein Geschäft geplatzt? (Nach einer Weile) Oder hast dich verrechnet?
Bei der Wasserzuteilung für die Sahelzone?
Hans:  (überlegen ruhig) Nein, bei dir.
Anna: (nach einer Weile) Bei mir? Interessant.
(Er steht auf. Auf und ab gehend, zwingt er sich zur Ruhe.)
Hans: Es ist nicht der Rabl. Es ist ein anderer.
Anna: Ach so.
(Er zwingt sich weiter zur Ruhe.)
Hans: Warum auch nicht. Wir sind einander zu nichts verpflichtet. Es kann jeder machen, was er will. Ich rege mich auch nicht auf. Ich stelle nur fest.
(Anna lehnt starr an der Wand.)
Anna: Das ist deine Theorie. Und du weißt, dass ich sie richtig und abscheulich finde.
Hans: (aufbrausend) Dann hab ich eine abscheuliche Theorie, von mir aus – aber du hast eine abscheuliche Praxis!
Anna: So ergänzen wir einander.
Hans: Spar dir deine blöden Witze.
Anna: Ich bin kein sparsamer Mensch.
Hans: (wütend) Aber ein hundsgemeiner. Und blöd obendrein. Verlogen und blöd.
Eine miese Schlampe, die gleich auf der erstbesten Parkbank zu haben ist.
(Er fasst sich an den Kopf.)
Hans: Und mit so was rede ich über Offenheit, über Emanzipation!
Anna: (mit unterdrückter Wut) Bist du jetzt fertig?
(Nach einer Weile) Dann sag ich dir was: Das Haus von deinem Vater wird abgerissen.
(Hans stellt sich Anna gegenüber.)
Hans: Ist auch höchste Zeit.
(Anna wendet sich ab und geht. Sie verlässt die Wohnung. Die Wohnungstür bleibt offen.
Hans rennt ihr nach, bleibt im Stiegenhaus stehen. Schreit ihr nach.)
Hans: Am besten, du ziehst gleich hin. Und tummel dich. Sonst steht’s vielleicht nicht mehr!
(Er rennt zurück in die Wohnung, in Annas Zimmer, schlägt auf ihre Sachen ein.)