Michael Scharang

 

Aufruhr

Kritiken

 

Die Ästhetik des Aufruhrs
Die Möglichkeiten, die in unserer Wirklichkeit schlummern, sind durch die Arbeit des Aufruhrs zu erkunden.

Nichts rührt sich in unserem Land. Aber plötzlich kommt etwas in Bewegung. Unvermutet wird das Feste flüssig, das Erstarrte rührt sich. Etwas taucht auf, woran keiner gedacht hat. Der Aufruhr beginnt, all jenen zumTrotz, die ihn nie sahen.
Scharangs Buch komt zur Unzeit – also genau richtig. Die Machtverhältnisse sind, wie sie sind. Aber so muß es nicht bleiben. Scharangs Buch ist streckenweise genial witzig, sein mitunter komödiantischer Furor ist nicht gegen den Ernst der Sache gerichtet. Seine Heldinnen arbeiten und feiern, sie lieben, und deshalb vermögen sie praktisch noch besser zu arbeiten – und deshalb auch etwas zu bewirken. Die Praxis ist das Himmelstor zur guten Theorie. Scharangs Ästhetik des Aufruhrs kann der Realität die Stirn bieten, weil Scharang einen Kopf hat.

Alfred. J. Noll, Wien, Tagebuch, 27. 5. 2020

 

Was ich hier zu lesen bekomme, hat etwas Philosophisches, manchmal trägt es auch Züge des Komischen, immer aber bleibt mir als Leser klar, warum Michael Scharang diesen Dr. Spatz erfand. Es muß ganz einfach Menschen geben, die gegen die Unterdrückung der Arbeiter aufstehen, auch und ganz besonders in Zeiten, da es linken Ideen überhaupt nicht gut geht.
Die urkomische Handlung in „Aufruhr“ überzeugt, aber viel mehr bin ich von dem beeindruckt, was sozusagen über der Handlung schwebt.
Ein sehr beachtlicher, zeitloser Roman!

Christian Döring, amazon, 28. 5. 2020

 

Tanz in der Auslage

Ihre Strategie der trickreichen Manöver, der Inszenierungslust geht in diesem Roman auf, weil sie stets zwei Pole verbinden: politische Aktion, Fest danach. Fröhlich soll der Kampf sein und immer gut vernetzt.

Marlen Schachinger, Wien, „Die Presse, Spectrum“, 30. 5. 2020

 

Das Herz am linken Fleck

Der Aufstand vollzieht sich im Roman wie die groß angelegte Inszenierung einer Komödie. Spatz und Montefiori erklären, die Aufständischen würden das Land drei Monate lang führen. Dann solle die Regierung zurückkommen. In diesen drei Monaten wird eine herzenswarme Utopie Wirklichkeit. Die Menschen können der Interimsregierung ihre Wünsche mitteilen, und alle werden erfüllt. Und niemand muß sich mehr vor Entlassung fürchten.

Susanne Zobl, Wien, „News“, 22 / 2020

 

Satz und Sieg
Ein Stück utopischer Realismus: Michael Scharangs Revolutionsroman „Aufruhr“

Karl Kraus 1921: „Es scheint mir überhaupt keine andere Wortkunst zu geben als die des Satzes, während der Roman nicht beim Satz, sondern beim Stoff beginnt“, es sei denn, der Roman gewönne seinen Stoff aus den Sätzen. Das gelingt Scharang mit „Aufruhr“.
„Sich an der Wiklichkeit zu orientieren ist die Aufforderung des Sklavenhalters an den Sklaven.“ Also orientieren wir uns an der Fiktion, und Michael Scharangs utopischer Realismus erlöst vielleicht nicht die Revolution in der Kunst, aber doch die Kunst in der Revolution.

Stefan Gärtner, Berlin, „Junge Welt“, 6. 6. 2020

 

Revolution mit freundlichem Antlitz
Michael Scharang hat mit „Aufruhr“ einen leidenschaftlich utopischen Roman über einen Volksaufstand, eine Graswurzel-Republik und eine bessere Welt geschrieben.

Eine friedliche Anarchie zieht im Lande ein. Denn das wirksamste Mittel, viele für diese Bewegung – die keine Bewegung ist und ganz bewußt diverse Widersprüche flexibel aushält – zu begeistern und etwa eine hetzerische Presse klein zu machen, sind überbordende Straßenfeste für alle, bei denen sich fröhliche Menschen drängen.
Scharang liegt mit seinem Roman quer zum ideologisch braven Mainstream der Gegenwart, wo Aufruhr von den Autorinnen und Autoren nur mehr an entlegenen Rändern betrieben wird.
Mit „Aufruhr“ wagt Scharang etwas, was so radikal und basisdemokratisch nicht einmal die junge Neue Linke in den USA zu skizzieren wagt – höchstens Noam Chomsky, der 92-jährige Linguist und scharfe Weltgesellschaftskritiker.

Alexander Kluy, Wien, „Wiener Zeitung“, 4. 6. 2020

 

Möglichkeit und Wirklichkeit der Revolution
Michael Scharang läßt in seinem neuen Roman die Aufklärung wieder zu sich selbst kommen.

Zwar „halluziniere der Kapitalismus in seiner gegenwärtigen Allmacht vom Ende der Aufklärung und der Kunst“, die Verwirklichung dieses Vorhabens sei aber, beruhigt Scharang, schlichtweg unmöglich. Aber er hat auch eine schlechte Nachricht: Nach der historischen Niederlage der Linken beginnt eine internationalistische Bewegung heute „bei null: mit politischer Auklärung und Organisation. Um sich eines Tages durchsetzen zu können, braucht sie aber nicht nur einen Wirklichkeitssinn, sondern auch einen „Möglichkeitssinn“. Von Robert Musil, der diesen berühmten Begriff prägte, hat Scharang gelernt, das als möglich zu erachten, was (noch) nicht ist: die Revolution etwa. Vielleicht ist sie bald da. Seinen Beitrag als Schriftsteller hat der bald 80-Jährige mit „Aufruhr“ jedenfalls schon mal geliefert.

Bastian Tebarth, Berlin, „Meoldie und Rhythmus“, 3. Quartal 2020

 

Spiel mit den Möglichkeiten

Scharang arbeitet an einer eigenen Poetik gesellschaftskritischer Literatur, die den Anspruch erhebt, zu gesellschaftlichen Veränderungen beitragen zu können.
„Aufruhr“ beginnt jedoch fern von politischen Klassenfragen und zwar mit einem Mord in einer New Yorker Bar. Der Mord ist für den Handlungsverlauf nicht weiter von Bedeutung, die Konversationen werden es bleiben. Denn intellektuelle, witzige Gespräche bilden die klare Konstante in diesem vor dramaturgischem Einfallsreichtum überbordenen Roman. „Aufruhr“ gleicht einem Spiel mit Möglichkeiten im vermeintlich Unmöglichen.

In „Aufruhr“ imaginiert der Meister literarischer Gesellschaftskritik Michael Scharang ein Szenario, in dem eine österreichische Arbeiterschaft gern auf gewohnte Fernsehprogramme verzichtet, um in Massen zu Schaufenstern zu strömen, in denen neben ausgestopften Tieren Zitate von Oscar Wilde und Jean-Paul Sartre prangen. Der Roman oszilliert dabei zwischen Utopie und Sartire. Scharang entwickelt die Perspektive eines Weges aus der gegenwärtigen Sackgasse ungleicher, kapitalistischer Verhältnisse.

Ursula Ebel, Wien, „Literaturhaus Wien“, 24. 6. 2020

 

Ein guter Roman beginnt mit einem besseren Satz –
und jeder hat es sich gewiß schon ein-oder mehrere Male gewünscht: Unsere Politiker sollen ins Ausland flüchten.

„Aufruhr“ ist keine Revolution, doch der erste Satz wirkt nach. Wenn wir es schaffen, daß sich eine neue Solidarität im Alltag einstellt, wenn wir unseren zahlreichen Begegnungen wieder Bedeutung schenken, wird man erkennen, daß alle die gleichen Sorgen und Wünsche haben. De erst Schritt zum Umschwung ist ein Umdenken unserer Arbeitsverhältnisse und eine neue Menschlichkeit.

Gastautor BAM, Graz, „Der Haubentaucher“, 20. 8. 2020

 

Ein Hauch von Anarchie
Übung für den aufrechten Gang

Michael Scharang hat hier einen Schelmenroman geschrieben, der die Sehnsucht nach einer besseren und vor allem gerechteren Welt wachkitzelt. Die Aktionen in „Aufruhr“ finden Aufmerksamkeit und neue Mitstreiter. Ein Erfolg bleibt nicht aus: Der Kaufhaus-Chef wird von den Eigentümern abgesetzt, und der neue Geschäftsführer bietet Verhandlungen über mehr Lohn an. Damit gewinnt der von Akteuren angezettelte Aufruhr an Dynamik, und zwar im ganzen Land. Michael Scharangs Lust auf Utopien jenseits der herrschen Ordnung ist hier deutlich zu spüren.

Gunter Lange, „ver.di, Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft“, 25. 8. 2020

 

Früher hat man der Menschheit etwas verkündet, heute wird sie gekündigt

Subversiv ist der Stil, in dem Michael Scharang schreibt. Seine Sätze schlagen Haken, wie es das Leben und die Weltgeschichte auch ständig tun. Zweifellos erzählt der Autor uns hier ein Märchen. Eine Utopie, die im wahren Leben wieder an den Verhältnissen und den Menschen scheitern würde. Es hat ja nicht nur im deutschsprachigen Raum Versuche gegeben, eine kommunistische Idee zu verwirklichen. Gescheitert sind sie alle. Doch man wird ja noch träumen dürfen! Das tut Michael Scharang. Er tut es subversiv, anspruchsvoll, unterhaltsam.

Steffen Roye, amazon, 5. 9. 2020

 

Ein Sommer der fröhlichen Anarchie
Unser Kolumnist Ronald Schneider empfiehlt heute ein Werk des Autors Michael Scharang: „Aufruhr“ – die Geschichte einer sanften Revolution, eines Aufstands gegen Ungerechtigkeit und Ausbeutung, im Österreich unserer Tage.

Trotz aller märchenhafter Züge hat der Roman einen sehr ernsten Hintergrund in seiner Zeitdiagnose.
„Aufruhr“ ist so halb gesllschaftskritische Anklage und revolutionäre Utopie, halb amüsant zu lesende Komödie. Der Leser fühlt sich fast durchgängig gut unterhalten und zugleich betroffen von der Schlüssigkeit der Problemanalyse des Autors.

Ronald Schneider, Dinslaken, „rp-online“, 29. 9. 2020

 

Bei null beginnen
In Michael Scharangs neuem Roman bleibt kein Stein auf dem anderen. Aus einem Arbeitskampf gegen Lohnkürzungen entsteht ein „Aufruhr“, der Österreich erschüttert.

Michael Scharang hat einen neuen Roman veröffentlicht. Das allein ist schon ein Ereignis, handelt es sich bei ihm doch um einen der Wenigen im österreichischen Literaturbetrieb, der eine politische Haltung zeigt.

„Aufruhr“ ist, so wie auch Scharangs vorangegangene Romane es waren, eine präzise Zeitdiagnose, die gerade deshalb, weil sie von der scheinbar aussichtslosen Lage der Linken ausgeht, heiter und unverdrossen ist. Eine derartige Haltung ist für österreichische Literaturverhältnisse ein Skandal, immerhin ist sie nichts anderes als revolutionär.

Scharang knüpft an die Geschichte der Linken und ganz konkret auch an jene der kommunistischen Bewegung an. Auf fast jeder Seite des Buches finden sich Einsichten, die nützlich sind und die Debatten der vergangenen Jahrzehnte widerspiegeln.

Bald unterstützen viele kleine Gruppen den Arbeitskampf, die nur wenig gemeinsam zu haben scheinen. Aber sie protestieren eben, sie wehren sich, so wie sich die Angestellten gegen die Lohnkürzungen wehren. Auf diesem Gemeinsamen bauen sie auf. Denn eines wissen sie alle: „So wie bisher geht es jedenfalls nicht weiter.“

Simon Loidl, Wien, „Volksstimme“, Oktober 2020

 

Reviewessay: Aufruhr von Michael Scharang

Michael Scharang hat mit seinem jüngsten Roman eine Geschichte erzählt, die in unseren Geschichtsbüchern fehlt (und fehlen muß): Das Land gerät in Aufruhr, die Bevölkerung übernimmt die Macht und setzt sich im Sinne einer österreichischen Revolution schlussendlich auch durch. Dabei ist die Erzählung durchgängig als historische Analyse der Gegenwart konzipiert und lädt zu einer gemeinsamen Reise in unsere Sozial-, Kultur- und Ideengeschichte ein.

Alessandro Barberi, Wien, „medienimpuls“, Jg. 58, Nr. 3, 2020