In Gottes Namen - sollen die Herren Recht haben
Auf den Essay „Ungläubig schüttelt der Ungläubige den Kopf“ meldeten sich in der „Presse“ Franz Küberl, Norbert Leser und Armin Thurnher zu Wort. Dies ist die Antwort darauf.
Herr Küberl hat Recht. Ich bin tatsächlich so gottlos, dass ich nicht verstehe, warum sich jemand auf einen Gott beruft, um einem Menschen zu helfen. Erstürbe der Gottesglaube, bliebe die Hilfe dann aus? Der theologische und philosophische Aufwand, den Küberl treibt, ist so bombastisch, dass man sich fragt: Was ist das für ein Glaube, der sich derart absichern muss. Glaube ist, wie das Wort sagt, Glaubenssache, über die sich nicht streiten lässt, er ist ein Akt des Trotzes gegen eine Vernunft, die unerbittlich nach dem Argument verlangt. Diese Unerbittlichkeit mag als unmenschlich empfunden werden, weshalb der eine oder andere sich dem Wissen und der Reflexion verweigert und dem Glauben hingibt.
Der Glaube, angeblich das Intimste, scheint eine recht verdinglichte Angelegenheit zu sein, sonst würde er sich nicht so leicht in Glaubensgemeinschaften organisieren und von Priesterkasten dirigieren lassen. Die vereinigten Glaubensgemeinschaften nennt Küberl zutreffend Schicksalsgemeinschaft. Möge diese so enden wie die vor 60 Jahren.
Herr Leser hat Recht. Er hat nur vergessen, sich selbst auf seine Liste der Gottesbeweise zu setzen. Großer Sozialphilosoph und bedeutender Sozialdemokrat in einer Person, kann Leser nicht nur Produkt der Natur sein.
Die heutige Sozialdemokratie, nicht unwesentlich von Leser geprägt, ist die religiöse Abart des Sozialismus. Deren von der Nachtschicht befreite Funktionärsschicht, die Arbeiteraristokratie, dünkt sich wie jede andere Aristokratie gottgewollt und wird von Republikanern ebenso wie von Revolutionären verachtet. Einen Sonnenkönig hat die österreichische Sozialdemokratie in Gestalt Kreiskys bereits hervorgebracht, sie wird auch noch einen Sonnengott, wenn auch nur einen aus dem Sonnenstudio, hervorbringen, und Leser wird ihn im Namen seines Herrn und seiner Herren weihen.
Herr Thurnher hat Recht. Meine Sprachkritik an ihm ritzt nur die Oberfläche. Dass ein Journalist nicht schreiben kann, ist nicht außergewöhnlich. Dass der Journalist Thurnher das Gegenteil dessen schreibt, was er sagen will, und dann noch in einer Entgegnung des Langen und Breiten darlegt, es würde sich in seinem Artikel der Sinn seiner Rede schon irgendwann erschließen, ist insofern bemerkenswert, als die sprachliche Verwahrlosung bereits selbstbewusster Ausdruck geistiger Korruption ist.
Thurnher ist tatsächlich das beste Beispiel für einen Journalisten, der mit einer alternativen Geste posiert, welcher aber nur kleinmütiges Gefasel folgt, so konformistisch obendrein, dass es selbst den rackets die Sprache verschlägt und sie Thurnher bitten, fortan auch für sie zu sprechen. Seitdem verkörpert Thurnher den idealen Medienlieferanten, der, weil er nichts zu sagen hat, zu allem und jedem etwas sagt, und dabei voll Sorge um den Gang der Welt bauernschlau den Kopf wiegt.
Mittlerweile sind die politisch Alternativen, die alles gesund beten, aber nichts verändern wollen, die Ersatzpfaffen dieser Gesellschaft, und Thurnher ist der Hirt, der sie auf jene sprachliche Weide führt, auf der die Unverbindlichkeit gedeiht und die Phrase blüht.
„Die Presse“, Wien, 18. 3. 2006