Plumpe Imitation
In Deutschland hat der Buchhandel einen Buchpreis ausgeschrieben, um das
Geschäft in Gang zu bringen. Der Erfolg ist überwältigend. Debattiert wird nicht
mehr über Literatur, das Geschwätz dreht sich um den Buchpreis. Österreich darf
nicht nachstehen. In Ermangelung eines Buchhandels, der einen Preis stiften
könnte, springt der Staat in Gestalt des Kulturministers ein. Eine plumpe
Imitation. Und eine sinnlose Aktivität.
Der deutsche Buchpreis hat Erfolg, ohne etwas dazu beizutragen. Die Vermutung,
der Buchhandel wolle die Literatur lenken, damit Bücher zustandekommen, die
massenhaft gekauft werden, ist falsch. Die Autoren selbst erledigen diese
Arbeit.
Kunst ist die Darstellung der Welt. Darstellung, nicht Abbildung. Die
darzustellende Welt ist gegensätzlich: Herr und Knecht, Kapital und Arbeit,
reich und arm. Der Künstler, der Schriftsteller muß sich für eine der beiden
Seiten entscheiden. Beteuert er, neutraler Beobachter zu bleiben, hat er sich
bereits für die Herrschaft ausgesprochen. Stil ist ihm versagt. Denn Stil, sagt
Karl Kraus, ist eine Frage der Moral.
Nichts ist politischer als Kunst. Am politischsten ist jene, die sich als
unpolitisch gebärdet. Sie ist heute en vogue. Sie unterwirft sich dem Dogma, daß
es zum Bestehenden keine Alternative gibt. Das kommt einem Denkverbot gleich, an
das der Mensch sich nur halten kann, wenn er sich auslöscht. Vorher möchte er
sich noch ein Vergnügen gönnen und alle anderen auslöschen. Dieses
urfaschistische Muster liegt nicht nur dem Verhalten von Teilen der Bevölkerung
gegenüber Flüchtlingen zugrunde, es ist längst zum Kredo der Literatur geworden.
Die Selbstanpreisung der Schriftstellerinnen und Schriftsteller kulminiert in
dem Schrei: Ich habe wirklich nichts zu sagen. Da dieser Satz noch keinen Roman
ergibt, muß die Welt herhalten, aber nicht, um dargestellt zu werden, sondern um
unterzugehen. Thomas Bernhard hat diesen Stumpfsinn zur Meisterschaft erhoben.
Seine Schüler übertreffen ihn bei weitem.
Der Überbau, zu dem Kunst, aber auch Philosophie zählen, steht, wie schon der
Name sagt, über der gesellschaftlichen Entwicklung, er eilt ihr voraus. Die
Literatur hat ihre Nase näher am Arsch des Zeitgeistes als die Politik, sie hat
den Rechtsruck, den die Politik gerade vollzieht, bereits hinter sich. Wo immer
Euroland zu Naziland mutiert, hat die Literatur das Terrain schon bereitet.
Auch hier ist sie Avantgarde. Europa wird, da es bekanntlich keine Alternative
gibt, der gute alte faschistische Kontinent, der er war. Man wird von
Deutschland politisch und wirtschaftlich gedemütigt, als Belohnung werden einem
nationalsozialistische Exzesse geboten. Österreichsche Autoren sind in der
Weltuntergangsliteratur führend und in den Ranglisten des deutschen Buchpreises
gut vertreten.
Wozu dann einen österreichischen Buchpreis? Nur um eine Jury zu beschäftigen,
Herrn Kaindelsdorfer und Frau Strigl in einem Jahr, Frau Kaindelsdorfer und
Herrn Strigl im nächsten? Die Literatur in diesem Land steht geistig und
künstlerisch noch immer himmelhoch über dem Niveau der großen
Kulurinstitutionen, über die der sozialdemokratische Kulturminister Ostermayer
gebietet. Er möchte mit seinem Buchpreis das Niveau der Literatur auf das seiner
Kultur herunterdrücken.
Da wird er aber noch viel Sterz essen müssen.