Bahn frei für die Dritte Republik
Von den verschiedenen Arten des Fechtens ist in Österreich die
Wahlanfechtung die gefährlichste. Der Republik ist bei einem solchen Kampf ein
Schmiß zugefügt worden. Nun steht sie mit entstelltem Antlitz da. Man weiß
nicht, soll man lachen oder weinen.
Vom Ende der Monarchie bis zum Einmarsch Hitlers im Jahr 1938 existierte
Österreich als Erste Republik. Von 1945 bis 2016 als Zweite. Seit dem 1. Juli
2016 vegetiert Österreich als Dritte Republik dahin. Wer ist diesmal
einmarschiert? Niemand.
Sie waren alle schon da. Die FPÖ und ihr Führer Strache, von den französischen,
niederländischen, ungarischen Rechtsradikalen als Leitfigur angehimmelt, und
selbstverständlich auch der Verfassungsgerichtshof, diese hohe Rechtsinstanz des
Landes, die von Strache benutzt wurde, um die Zweite, die demokratische Republik
zu beenden und die Dritte, die autoritäre einzuläuten.
Im katholischen Österreich wird, was immer beginnt, eingeläutet. Zum Glück
klingt die Totenglocke stets mit. So weiß man, weil man es hört, daß auch die
neue Republik, die schreckliche, nicht von Dauer sein wird.
Das Unglück begann mit einer Katastrophe. Die FPÖ schickte einen tüchtigen
jungen Mann, der mittlerweile versprochen hat, Österreich im nächsten Jahr
mittels Referendum von der EU zu befreien, in die Bundespräsidentenwahl. Da die
Vorsehung Strache zugesichert hatte, daß er jede Wahl gewinnen wird, konnte er
nicht hinnehmen, daß sein Kandidat knapp unterlag. Also focht er die Wahl beim
Verfassungsgerichtshof an.
Genau auszuführen, wie dieser Gerichtshof zusammengesetzt ist - was die
Öffentlichkeit, die nicht mehr existiert, selbstverständlich nicht kümmert -,
würde diesen Artikel in die Niederungen eines Kabarettprogramms zerren. Hört man
den Präsidenten dieses Gerichtshofs sprechen - egal, was er sagt -,verliert man
den Glauben an eine Emanzipation der Menschheit: der klassische österreichische
Provinzler, dem sein Akzent den Zugang zur Sprache so sehr versperrt, daß er
nicht einmal in der Lage ist, einen Text fehlerfrei abzulesen.
So weit das Personal der Höchstinstanz. Als es von Strache angeschnauzt wird,
die Wahl wiederholen zu lassen, erschaudert es. Denn es erkennt, daß die wahre
Höchstinstanz Strache ist, dem nicht nur die Massen zulaufen, sondern auch die
Geistesgrößen. Also wächst das Verfassungsgericht über sich hinaus, veranstaltet
zum ersten Mal in seiner Geschichte öffentliche Anhörungen, bei denen
Alltägliches an den Tag kommt: skurrile Schlampereien.
Da aber nun der Verfassungsgerichtsthof und Strache in einem Boot sitzen, darf
weder der eine noch der andere blamiert werden. Und so befindet der Gerichtshof,
es hätte hier und dort zu Manipulationen kommen können. Weshalb die Wahl zu
wiederholen sei.
Ein Gerichtsurteil von solcher Dämlichkeit hat in der Weltgeschichte nicht
seinesgleichen. Es ist eine Rechtssprechung im Konjunktiv - dieser Mann hätte
jemanden umbringen können und ist deshalb als Mörder zu verurteilen.
Ich hätte den Präsidenten des Verfassungsgerichtshofs auf der Straße treffen und
ihn an der nächsten Laterne aufknüpfen können. Ich hätte zum
Verfassungsgerichtshof gehen und ihn in Brand stecken können. Eine
Rechtssprechung, die sich in die Demagogie der Möglichkeitsform begibt: Bahn
frei für die Dritte Republik.