Michael Scharang

 

Das Glück ist ein Vogerl

Anfang des O-Ton-Hörspiels

AUTOR: Ich fasse einen Plan.
AUTOR: Zum Beispiel diese Sache, angenommen, wir bringen insgesamt acht Leute zusammen. Jeder hat verschiedene Auffassungen, jeder hat eine andere Lebensgeschichte, und wir werden zusammenkommen und das diskutieren, und da wird sicher jeder irgendwas lernen davon. Also ich habe allein von den zwei Aufnahmen, die wir bisher gemacht haben, viel gelernt.
WALTER: Aber da könnte man das Ganze zusammenschneiden, ja, da könnte man mit dem ganzen Band, was aufgenommen worden ist, könnte man zwei ganz grundverschiedene Geschichten machen, obwohl es derselbe erzählt hat. Es kommt nur darauf an, wie man diese Geschichten aneinanderreiht und was man wegläßt. Das Ganze könnte man manipulieren.
AUTOR: Ja schon, aber wenn du bei dieser Produktion nicht Schauspieler bist, sondern Coautor und bei der Produktion mitbestimmen kannst, also mitbestimmen kannst, was von dir am Band ist, kannst du dich praktisch nur selber manipulieren. Du wirst von außen nicht manipuliert.
WALTER: Man läßt sich ja selber so leicht manipulieren. Der, der nie diskutiert, der hat keine Chance gegen einen, der gewohnt ist, so etwas zu tun.
AUTOR: Welche Fragen würdest du zu diesem Projekt und zum Sinn dieses Projekts stellen?
WALTER: Ich habe keine Ahnung von dem Ganzen, dafür kenne ich mich woanders besser aus. Das ist eine Frage der Praxis. Ich könnte mir vorstellen, daß ich einen Menschen auf der Straße über irgendetwas frage, sagen wir: „Was halten Sie von der Milchpreiserhöhung?“
AUTOR: „Wenn ich meine Lebensgeschichte erzähle, bin ich der aktive Teil“, sagt Walter, Gärtner, 30 Jahre alt.
WALTER: Schon als kleines Kind habe ich mich interessiert für Gärtnerei, und ich bin der Ansicht, in diesem Beruf ist Interesse das Wichtigste, alles andere ist nebensächlich. Das Gebiet ist nämlich so groß, daß man das fast nicht abstecken kann. In jede andere Naturwissenschaft geht das rein.
Ich habe eine Lehrstelle gekriegt, eine sehr gute Lehrstelle, bei der Gemeinde Wien. Im ersten Lehrjahr habe ich gearbeitet in einem Baumschulbetrieb, vom zweiten Lehrjahr das erste halbe Jahr in einer Parkanlage, das nächste Jahr habe ich gearbeitet bei Orchideen, Warmhauspflanzen und Kakteen. Und dann war die normale Berufsausbildung beendet.
  (Musikeinspielung: „Das Glück ist ein Vogerl“)
AUTOR: Das ist ein Wienerlied. Es meint, daß man das Glück nicht halten kann, es kommt und fliegt wieder davon. Es ist ein Beruhigungslied, es soll beruhigen darüber, daß die Erwartungen nicht eintreffen, und von dem, was eintrifft, soll man nicht enttäuscht sein. Dem Vereinzelten wird die Liebe in Aussicht gestellt, dem Liebenden die Ehe, dem Verehelichten die Scheidung, und dem Geschiedenen wiederum die Liebe und so weiter. Das enttäuschte Kindergartenkind soll sich auf die Schule freuen, der enttäuschte Schüler auf die Lehre, der enttäuschte Lehrling auf die Arbeit, der enttäuschte Arbeiter auf die Freizeit.