Michael Scharang

 

Woran ich denke, wenn ich das höre

Anfang des Hörspiels

Eine Tür wird aufgeschlossen, geöffnet und geschlossen. Dieser akustische Vorgang hat Demonstrationscharakter, wie auch die folgenden akustischen Vorgänge, wie auch der Text. Erst nach den Anfangspassagen geht die Demonstration von Ton und Text über in realistische Darstellung.

Mädchen Wenn ich eine Tür gehen höre, denke ich: es kommt jemand.
Mann Wer kommt?
Mädchen Das lässt sich mit Worten leichter sagen als mir Geräuschen darstellen.
Mann Ein Arbeiter kommt von der Arbeit nach Hause. Der Mann zieht sich die Schuhe aus. Er macht drei Schritte. Er hängt den Mantel auf. Er macht drei Schritte. Er öffnet das Fenster. Er macht drei Schritte. Er setzt sich nieder.
Mädchen Wenn ich Schritte höre, denke ich: es sind wenige Schritte oder es sind viele Schritte.
Je nach dem, wie viele Schritte ich höre.
Mann Wie groß ist die Wohnung?
Mädchen Das ist schnell gesagt.
Es lässt sich aber mit Geräuschen eindrucksvoller darstellen.

Der Mann schaltet das Radio ein, man hört Schlagermusik.

Mann Der Arbeiter sagt: Wenn ich diese Musik höre, denke ich: ich möchte eine andere Musik hören.
Er sucht einen anderen Sender.

Der Mann sucht einen anderen Sender, man hört klassizistische Musik.

Mann Diese Musik will ich auch nicht hören.
Ich suche einen anderen Sender.

Der Mann sucht einen anderen Sender, man hört Blasmusik.

Mann Wenn ich diese Musik höre, denke ich: es ist schade um jeden Gedanken, welche Musik ich hören will; ich will gar keine Musik hören, ich will nur, dass es nicht so ruhig ist im Zimmer.

Der Mann schaltet das Radio aus.

Mann Wenn ich die Ruhe höre, denke ich an meine Finger, die auf die Tischplatte trommeln wollen. Ich lasse sie aber nur auf meinem Oberschenkel trommeln. Ich bin zu müde, um den Arm auf den Tisch zu legen.

Eine Tür wird aufgeschlossen, geöffnet, geschlossen.

Mann Wenn ich die Tür gehen höre, denke ich: es kommt noch jemand.
Mädchen Wer ist es?
Mann Du bist es.
Mädchen Ich bin die Tochter des Arbeiters.
Ich komme von der Schule nach Hause.
Warum bist du schon da?
Mann Wir mussten heute die Mittagspause durcharbeiten. Deshalb haben wir früher aufgehört.
Mädchen Warum hast du das Fenster aufgemacht? Stört dich der Lärm nicht?
Mann Stört er dich?
Mädchen Nein.

Man hört Straßenlärm als eine Demonstration von Lärm. Der Mann übertönt mit seiner Stimme den Lärm. Nachdem er gesprochen hat, hört der Lärm auf.

Mann Wenn ich den Straßenlärm in meiner Wohnung höre, denke ich an meine Stimme, die trotzdem zu hören ist. Das wundert mich. Sonst ist sie nämlich kaum zu hören. Ausgerechnet der Lärm lässt mich zu Wort kommen!