Der Lebemann
Kritiken
Volker Hage in „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ vom 07. Dezember 1979
Gemessen an dem, was man vom Fernsehen her gewohnt ist, war Scharangs „Lebemann“ opulent inszeniert, aufwendig und handwerklich perfekt. Auch wenn in der Ansage nur etwas halbherzig von einem Krimi die Rede war (schließlich war ja ein ernst zu nehmender Autor am Werk): dies war nichts anderes, und es war gut so.
Ein von Haus aus wohlhabender Bankmanager trifft im Park eine junge Verkäuferin und verliebt sich in sie. Er zeigt, was er hat: richtet eine Wohnung ein, fährt mit der Dame spazieren, führt ihr Beispiele seines Hobbys vor (elektronische Musik). Doch aus irgendwelchen Gründen ist er der Meinung, das alles reiche nicht aus, er müsse den Traum perfekt machen. Er setzt die Zufallsbekanntschaft von mehreren Ganoven gezielt ein, um an das große Geld heranzukommen: das aus der eigenen Bank. Am Ende bleiben auf der Strecke: ein Kollege aus dem Geldinstitut und einer der Einbrecher - und seine Liebe. Denn so hatte sich seine Freundin die Verwirklichung des Traums vom weißen Haus irgendwo am Meer nicht vorgestellt.
Thomas Thieringer in „Stuttgarter Nachrichten“ vom 07. Dezember 1979
Mit „Der Sohn eines Landarbeiters wird Bauarbeiter und baut sich ein Haus“ war dem Gespann Michael Scharang (Buch) und Axel Corti (Regie) ein außergewöhnlich spannender, sozialkritischer Fernsehfilm gelungen. „Der Lebemann“, ihre zweite gemeinsame Arbeit, ist daran gemessen eine Enttäuschung; Erfolg auf so hohem Niveau belastet, das ist eine alte Erfahrung. Scharang hat das Genre gewechselt, hat sich nun von einem episch-realistischen, fernsehgemäßen Erzählstil dem abstrakteren filmischen Psycho-Thriller zugewandt. Sein kritisches Engagement, die nach Sinnkraft und Beispielhaftigkeit suchende Bemühung verbirgt sich da allzu flott hinter dem berechtigten Bemühen, den Zuschauer zu unterhalten und in Spannung zu versetzen.
Der in eine „elektronisch verfremdete“ Kultur vernarrte Bankmanager und Lebemann verknallt sich in die nette, kleine Verkäuferin Monika (von monotoner Schönheit: Uli Mayer). Das lebensfreudige Mädchen läßt sich auf die Liaison ein beim Träumen von „einem weißen Haus am Meer“, weil Geld ganz allgemein immer etwas Faszinierendes hat, also auch die Liebe ungemein befördert. Aber Scharang will mehr als diese gewöhnliche Wohlstands-Entfremdungsgeschichte erzählen: er will in einem logisch sich entwickelnden Krimi zeigen, daß bei Wohlstandsbeziehungen nur Liebe wahren Charakter hat und daß der Reichtum der Reichen nur durch perfektes, unangreifbares Kalkül zustandekommt: „Das weiße Haus am Meer“ ist auf dem Sand der Ausbeutung gebaut. Lebemann Dr. Klaus Sandner erleichtert seine Bank mit Hilfe eines Einbrecherquartetts um Millionen, ohne sich seine Hände dabei schmutzig zu machen. Aber die hübsche, wie einem Werbeprospekt entstiegene Maid, für ihre Zuneigung mit Wohlstandswaren belohnt, lehnt den so realisierten Glückstraum ab. Sie läßt Sandner einfach stehen und geht an ihren Arbeitsplatz zurück: ein Mensch, der noch etwas vom einfachen Leben, von Glück und Gerechtigkeit versteht.
Axel Corti inszenierte diese kühle Riffi-Geschichte ganz trocken, ohne Überspannungen, setzte in den von Kameramann Odd Gheir Saether etwas flach gehaltenen Bildern auf den irritierenden nebensächlichen Schein auf die Realität zurückführenden Momente. Corti konnte aber nicht verhindern, daß die so folgerichtig berechnete Geschichte in ihrer „Coolness“ trotz Heinz Trickners fabelhaftem, der geschäftigen Liebe huldigenden Lebemann etwas oberflächlich und langatmig wirkte.
Rainer Tittelbach in „Münchner Merkur“ vom 07. Dezember 1979
Was wie ein märchenhafter Liebesfilm etwas verkorkst begann - karrierebewußter Erfolgsmanager verliebt sich in hübsche Kaufhausverkäuferin - und nach und nach psychologisch motivierte Krimi-Qualitäten annahm, entpuppte sich schließlich als hintergründige Geschichte von der verzweifelten Suche nach dem Glück, das in unserer leistungsorientierten Gesellschaft nur materielle Werte kennt. Zwar tat „Der Lebemann“ alles nur für sein Wienerzuckerpüppchen, vergaß allerdings - verschanzt hinter elektronischen Verstärkerapparaturen - vor lauter Zukunftsträumen das reale Leben.
Diesen Teil der Handlung verband Autor Scharang äußerst geschickt mit der Geschichte des amateurhaften Einbrecher-Quartetts. Es ergaben sich Parallelen, denn die Gauner suchten ebenfalls das ganz große Glück. Auch Regisseur Corti wußte mit den zwei Spielebenen etwas anzufangen: er benutzte ihre Schnittpunkte gekonnt als Spannungsmomente und verzichtete auf meist unwirksame Actionszenen.
Eine nach ausgefallenem Krimi-Muster gestrickte Story als Hintergrund für ein Psychogramm eines sozialen Aufsteigers zu benutzen. Das wünscht man sich öfter!
K.W. im „Hamburger Abendblatt“ vom 04. Dezember 1975
Die Erkenntnis, daß sich Verbrechen nicht lohne, basiert in erster Linie wohl auf der Vermutung, daß die Sache auffliegt und der Täter gewöhnlich hinter Gitter landet. Eine neuartige Variante dieser alten Behauptung stellt jetzt Michael Scharang vor: Seinem Held gelingt der geplante Millionencoup perfekt, aber am Ende weiß er mit dem erbeuteten Geld nichts anzufangen… „Der Lebemann“ nannte der Steiermärker Autor die Geschichte eines Bankmanagers, der die eigene Bank aushebt: Nachdem der Roman gleichen Titels seit einiger Zeit erschienen ist, kommt jetzt auch die Verfilmung des Stoffes - durch den Wiener Regisseur Axel Corti - ins ARD-Programm. Beide erzielten vor einigen Jahren mit der WDR-Produktion „Der Sohn eines Landarbeiters wird Bauarbeiter und baut sich ein Haus“ einen großen TV-Erfolg, an den sie jetzt anknüpfen wollen.
HAL in der „Rhein-Zeitung“ vom 07. Dezember 1979
Sicherlich hat dieser Fernsehfilm seine Schwachstellen sowohl vom Buch (Michael Scharang) als auch von der Regie (Axel Corti). Stellen über die man stolperte, und die gar nicht hätten sein müssen. Und doch war es ein glänzend durchdachter Film. Trotz Bankräuberei und einer neuen ausgefallenen Variante des „großen Coups“ war es vor allem ein Film über das Scheitern der Liebe zwischen einem Bankmanager und einer Kaufhaus-Verkäuferin an der Unvereinbarkeit ihrer beider Glückvorstellungen.