Die Kameraden des Koloman Wallisch
Kritiken
Hans Josef Birker in „Rheinische Post“ vom 3. Mai 1984
Trotz bürgerkriegerischen Getöses ist „Die Kameraden des Koloman Wallisch“ ein stiller Film mit ruhigen, auch poetischen Bildern, verhaltenem Erzählfluß und einem melancholischen Grundton, von dem sich am bitteren Ende ein Funken Hoffnung abhebt: Wenn die „höhere Tochter“ Paula und der Arbeiter Viktor auf der Flucht ihre Ski-Spuren nebeneinander in den Schnee ziehen, dann symbolisiert dies einen privaten Sieg gegen die Zeitgeschichte, einen Sieg der Liebe. Für Regisseur und Drehbuchautor Michael Scharang ist das ein eher ungewöhnliches Finale. Überhaupt gerät ihm das private Zweier-Glück in schlimmen Zeiten einprägsamer als das historische Debakel des Arbeiter-Aufstands vom Februar 1934 in der Steiermark. Sogar die Titelfigur des Sozialistenführers Wallisch bleibt reine Rand-Rolle. Die Schilderung der Revolte zeigt die im Feuer des Bundesheeres gescheiterte Erhebung als Tragödie unkontrollierter Entwicklungen und gestümperter Organisation. Nahezu alle Personen sind Ideenträger, was ihnen aber weder die Individualität raubt noch zu agitatorischen Überzeichnungen führt - dies auch ein Verdienst des beachtlichen Ensembles.
Thomas Thieringer in „Süddeutsche Zeitung“, München
„Im Februar ´34 / Der Menschlichkeit zum Hohn / Hängten sie den Kämpfer / Gegen Hunger und Fron / Koloman Wallisch / Zimmermannssohn“, schrieb Bert Brecht (in „Gedichte aus dem Nachlaß 2) über einen, dessen Namen in seiner steirischen Heimat Plätze tragen und den doch niemand kennt. Der Grund dafür ist einfach, er wird von Michael Scharang in seinem Film „Die Kameraden des Koloman Wallisch“ deutlich herausgearbeitet: Die Geschichte, in der der sozialdemokratische Arbeiterführer eine aufrechte, beispielhafte Rolle spielte, machte die zu Schuldigen, die den Faschismus in ihrem Land hinnahmen.
Daß es in Österreich zwischen Mussolini und Hitler anders als hierzulande Widerstand gab gegen Faschisten, bevor sie sich die Macht nahmen, dafür steht der Name Wallisch. Aber dieser Widerstand wurde vom bürgerlichen Lager, der diktatorischen Regierung Dollfuß, auch mit Hilfe des Militärs niedergeschlagen und die sozialdemokratischen Spitzenfunktionäre ließen die Arbeiter in ihrem entscheidenden Widerstand im Stich. Wallisch war die Ausnahme; Bruck an der Mur war im Februar 1934 der einzige Ort, in dem die Faschisten für kurze Zeit niedergehalten wurden, bis man die Arbeiter niedermetzelte und Wallisch hängte.
In der Nachkriegszeit, in der man sich angewohnt hatte, nur nach vorne zu blicken, wurde Koloman Wallisch ein „Held“ ohne Geschichte. Scharang gab sie ihm mit seinem Fernsehfilm wieder, ganz in dem von ORF-Intendant Gert Bacher formulierten Sinn, daß das Fernsehspiel die Chance habe, das Gewissen der Nation zu werden. Scharang polemisiert nicht, er rekonstruiert die Ereignisse von damals, indem er von einer schwierigen und doch ganz idealistischen Liebesgeschichte erzählt und auch von der Unversöhnlichkeit der politischen Lager in jener Zeit, die bis in die Familie die Gleichschaltung der Meinungen erzwang. Über der zögernden, schüchternen Annäherung Viktors und Paulas (Georg Schuchter, Henriette Cejpek) gewinnen die politischen Auseinandersetzungen an Schärfe, zeigen die Menschen, von denen Scharang erzählt, ihre Schwächen und Stärken, geben sie die Motive ihres Handelns preis.
Immer wieder greift Scharang - in der Musik, in der Art der Schnittfolgen - auf die Stilmittel damaliger Filme zurück und schaffte so eine klärende Distanz. Über die Historie hinaus ist ihm mit „Die Kameraden des Koloman Wallisch“ ein spannender und lehrreicher Film gelungen und damit eben auch ein versöhnlicher.
GS in „Wiener“ vom Februar 1984
Mit Dokumentationen, Dokumentarspielen, mit einem Club 2 und mit Übertragungen von Gedächtnisveranstaltungen erinnert der ORF an den Februar 1934. Und mit einem Fernsehspiel: Mit „Die Kameraden des Koloman Wallisch“ von Michael Scharang.
Koloman Wallisch war steirischer Landesparteisekretär der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei und Arbeiterführer beim Februaraufstand 1934 in Bruck an der Mur, der einzigen österreichischen Stadt, die für kurze Zeit in der Hand der Arbeiter war. Nach der Niederschlagung des Aufstandes wurde er hingerichtet.
Michael Scharang, der in Kapfenberg geboren wurde und aufgewachsen ist: „Ich habe in meiner Jugend selbst erlebt, wie der Name Wallisch in dem Gebiet, wo er gewirkt hat, totgeschwiegen wurde. Obwohl in Kapfenberg, in Bruck und in Leoben die Hauptplätze nach ihm benannt sind, hat uns in der Schule niemand darüber aufgeklärt, wer das war.
„Die Kameraden des Koloman Wallisch“ ist kein Dokumentarspiel. Lediglich die Figur des Koloman Wallisch und die politischen Ereignisse jener Tage sind historisch belegt, alles andere ist Fiktion.
Und so steht Wallisch auch nicht im Mittelpunkt der Handlung. Erzählt wird die Liebesgeschichte zwischen dem jungen Viktor Pichler, einem Arbeiter, der mit der abwartenden Taktik der Sozialdemokratischen Partei unzufrieden ist, und der Mittelschülerin Hojas, der Tochter eines Arztes.
„Die Kameraden des Koloman Wallisch“ ist Michael Scharangs erste Regiearbeit, und das Ergebnis kann sich sehen lassen.
Ein Film, der geschickt auf drei Ebenen funktioniert: als Film über den Februar 1934, als Liebesgeschichte und als Film über Widerstand, Menschenwürde und den aufrechten Gang.
Vor allem die beiden Hauptrollen sind gut besetzt, mit Georg Schuchter und Henriette Cejpek. Scharang forciert eine stilisierte Sprache. So gelingt es ihm, die üblichen Sprachschwierigkeiten des österreichischen Films zu umgehen.