Das Wunder Österreich
oder
Wie es in einem Land immer besser und dabei immer schlechter wird
Essays, Polemiken, Glossen,
Kritiken
Thomas Rothschild in der „Stuttgarter Zeitung“ vom 12. Oktober 1990
Gewagte Provokationen sucht man in den Hervorbringungen der Jungen vergeblich. Sie sind schon uralt, ehe sie zu schreiben beginnen, sie denken über den Status quo nicht hinaus. Da muß einer kommen, der bald fünfzig ist, da muß ein Michael Scharang kommen, um immer wieder zu beweisen, dass es spannender ist, auf originelle Weise zu irren als auf fade Weise recht zu behalten.
Michael Scharang ist ein Spötter, aber nicht einer von jener liberalen Sorte, die über allen stehen und scharfsinnig lächeln, weil sie im Grunde nichts berührt. Es ist Wut, was Scharangs Spott nährt, und es sind die österreichischen Zustände, die diese Wut nähren. Karl Kraus und Karl Marx sind zwei Lehrmeister, denen Scharang seine Fähigkeiten zur Analyse und zur pointierten Darstellung dessen, was die Analyse ergab, verdankt.
Edwin Hartl im „Wiener Journal“ vom Mai 1989
Das Wunder Scharang besteht darin, dass dieser Autor präzis in den Fußstapfen eines Vorgängers einen absolut eigenen Weg geht. Kraus hätte ihn wahrscheinlich, kopfschüttelnd, anerkannt. Unfolgsam befolgt er auch die Grundthese des Vorbildes: „Ungerechtigkeit muß sein: sonst kommt man zu keinem Ende“.
Martin Beck in der „Volksstimme“, Wien, 16. 3. 1989
Gewundert hat er sich nie über die Zustände in diesem Land. Und wenn die anderen ob der Skandalflut, gegen die man sich wieder abzustumpfen sich anschickt, aus dem Staunen nicht herauskommen, kann er mit Recht darauf verweisen, dass die Entwicklung der letzten Jahre bei ihm schon nachzulesen ist.
„Neue Tiroler Tageszeitung“, Innsbruck, 18. 8. 1989
Da nach dem letzten Krieg die Kunst des Essays in Österreich beinahe ausgestorben ist, „nachdem Torberg und Weigl den Essay nicht nur in die Niederung geführt, sondern ihn dort im Stich gelassen haben“(Scharang), versucht Autor Michael Scharang bei den Meistern, bei Karl Kraus und Robert Musil, anzuknüpfen. Die suche nach der verlorenen literarischen Kontinuität und der Abscheu vor der Verlogenheit Nachkriegsösterreichs brachten Scharang dazu, unter diesen Bedingungen den österreichischen Essay ne zu entwickeln. Ein Schritt, der so falsch nicht gewesen sein kann, da ihn nach und nach immer mehr Schriftsteller beschreiten.
Helmuth Schönauer in „Sturzflüge“ Nr. 29, 1990
Mit der Zeit wird man beim Lesen ganz verunsichert. Alles, was die Medien in unserem Land berichten, ist doch so eindeutig und einseitig klar, und plötzlich kommt Scharang, und erzählt alles ganz anders. Aber Scharangs Darstellung der Dinge ist logischer und wahrer als der Brei, der sonst als Information ausgeschüttet wird.
Wenn man Lust auf die Wahrheit hat, wissen will, wie es in Österreich wirklich geht, und sich einmal verunsichern lassen will, sollte man Scharang lasen.
Gustav Ernst im ORF, Wien, 28. 5. 1989
Und Scharang attackiert nicht nur brillant die konservativen Journalisten und Politiker und deren Presse, ihre versteckte und offene Propaganda für die Rechtswende, ihre entsprechenden Geschichtsinterpretationen, ihre Parteinahme für einen neuen politischen Katholizismus, er analysiert nicht nur sehr klar ihre Ideologie, sondern er scheut sich auch nicht, linke Zeitungen zu kritisieren, Autoren-Kollegen zu attackieren – für manche ein Sakrileg, die meinen, man müsse ständig Solidarität üben und dies würde die Einheitsfront der Autoren bzw. der Linken, der Waldheimkritiker, der Antifaschisten etc. schwächen .
„Prolit“, Nr. 5, 1989
Was Scharang in erster Linie auszeichnet, ist, dass er in dem Moment nicht verweilt beim Bloßen Ansprechen von Missständen, sobald er das Gefühl hat, dass die Ursachen dafür in einer meist unaufgearbeiteten Vergangenheit liegen. Wem Thomas Bernhard deshalb nicht ganz geheuer war, weil er angeblich nur schimpfen konnte, ohne seinen Unmut zu begründen oder zu beweisen, der müsste Scharang eigentlich lieben. Der Wahlwiener analysiert mit einer Genauigkeit, die ihn einen Gedankengang erst dann beenden lässt, wenn nicht mehr fehlt, eine Beweiskette geschlossen ist.