Michael Scharang

 

Die Sehnsucht des Geistes nach dem Tornister

Kritiken

 

„Seit Adorno hat mich kein Text so aufgewühlt wie der Essay von Scharang über Kunst.“

Rudolf Burger

 

Merksätze gleich im Dutzend gibt es allein im Essay „Was ist Literatur?“ von Michael Scharang. „Literatur steht vor der Aufgabe, der Alltagssprache eine Sprachgestalt entgegenzustellen, in Form und Inhalt zu opponieren gegen das, was alle sagen. Ein undankbares Geschäft.“ Oder: „Literatur ist Forschungsarbeit. Die Philosophie deutet die Welt, die Wissenschaft analysiert sie, die Kunst stellt sie dar. Die Forschungsarbeit der Literatur besteht darin, die Welt zu gestalten; sie zu beschreiben, abzubilden – zu dokumentieren, was ist –, wäre zu wenig.“

 

Der an Karl Kraus und Robert Musil Geschulte ist in seinen Forderungen unerbittlich, das gilt auch für seine Überlegungen zu Kunst, zu Kulturpolitik und Kunst- und Kulturförderung, zum Niveau des intellektuellen und gesellschaftlichen Diskurses oder zur Verfügbarkeit des Geistes durch die Verlockungen der Macht, wie sie im titelgebenden Essay „Die Sehnsucht des Geistes nach dem Tornister“ untersucht wird: „Nicht die Käuflichkeit des Geistes ist das Erschreckende, sondern seine Autoritätssucht.“

 

Scharangs „Essays zu Kunst, Literatur und Politik“ sind eine Herausforderung – an sich, an seine Kollegen, an uns. Lieber an den eigenen hohen Ansprüchen scheitern als die Utopie einer gerechten Welt an Anspruchslosigkeit scheitern zu lassen! Michael Scharang besitzt Klarheit, Präzision und Leichtigkeit. Jedes Dunkel muss ausgeleuchtet werden. Scharang schafft Licht.

Wolfgang Huber-Lang, APA, 15. 9. 2023