Michael Scharang

 

Der Weg zurück

Über die politische und gesellschaftliche Rückentwicklung, die zurzeit in Österreich stattfindet – und auf Widerstand stoßen wird.
Ein optimistischer Abgesang

Der Gang der Geschichte wird im Großteil der Welt noch nicht von Vernunft und Aufklärung geleitet, sondern von purer Herrschsucht. Die Herrschenden setzen alles daran, ihre Macht nicht zu verlieren. Die Politik des Machterhalts ist eine Geißel der Menschheit. Sie beraubt die Gesellschaft jener Mittel, welche die Menschen erarbeitet haben, um das Leben besser zu gestalten, und so endet es in Lethargie. Man gewinnt den Eindruck, die Geschichte dränge in kurzen revolutionären Eruptionen vorwärts, dann wieder bewege sie sich nicht.

Der Stillstand, der eintritt, verströmt einen Modergeruch, der die ganze Gesellschaft verpestet. Kraft seiner Penetranz verfestigt er sich zu einer Ideologie, die so lange auf der Lüge beharrt, der augenblickliche Zustand sei zufriedenstellend, eine Alternative nicht denkbar, bis jeder sie glaubt. Dennoch soll man über Epochen des Stillstands nicht den Stab brechen. Sie prosperieren, auch die Untertanen haben sie in guter Erinnerung, denn sie werden zwar ausgebeutet, aber nicht ausgequetscht, und wenn die Knechte sich nicht gegen den Herrn auflehnen, werden sie von ihm sogar belohnt. Epochen des Stillstands sind friedliche Zeiten, der zufriedene Knecht schuftet vor sich hin, der schuftige Herr fühlt sich wohl, weil er nicht zur Peitsche greifen muß.

Man ist geneigt, ein Loblied auf den Stillstand zu singen, wenn man in Österreich erlebt, wie Geschichte zurückgedreht wird. Um die Zeit anzuhalten, muß Gewalt angewandt werden, um sie zurückzudrehen, bedarf es der Brachialgewalt. Das Ereignis kam nicht von ungefähr, aber auch wer es vorhergesehen hatte, erschrak, als die Barbarei die Zivilisation in den Polizeigriff nahm. Die Idylle des Stillstands ist trügerisch. Geschichte, die nicht fortschreiten darf, wird zu einem mächtigen Stau, in dem der Druck unaufhaltsam zunimmt: es kommt entweder zur revolutionären Explosion oder zum reaktionären Rückschlag.

Österreich ist für den Weg zurück bestens disponiert. Die Fratzen, die einen heute vom politischen Podest aus angrinsen oder anstarren, erzählen von der Schmach, welche ihnen im Lauf der Zeit angetan worden ist. Das Unglück Österreichs beginnt mit dem Wiener Kongreß, ab dem alles rückwärts geht. Dieser Kongreß im Jahr 1815, dem Metternich vorsaß, war eine Zusammenrottung hirntoter Monarchen, die noch einmal aus der Gruft gekrochen kamen. Alles Unglück Europas bis zum Faschismus und Nationalsozialismus, bis zum Erblühen völkischer Niedertracht in diesen Tagen geht auf jenen Kongreß zurück.

Keine Klasse wurde in der Geschichte so deformiert wie das Bürgertum. Deformation ist eine subtile Form der Unterdrückung. Das Bürgertum darf sich wirtschaftlich entwickeln, aber die Monarchie hält es von der politischen Macht fern. Da es sich jedoch in seiner ökonomischen Entfaltung nicht behindert wähnt, fügt es sich in sein Schicksal und verliert die Kraft zur revolutionären Befreiung. Es organisiert den modernen, den industriellen Kapitalismus und wird maßlos reich. Da es politisch entmachtet, also geistig tot ist, weiß es mit dem Reichtum nichts anzufangen. Alles ist käuflich – das ist die einzige Idee, die dem Bürgertum Leben einhaucht.

Man ist ein Opfer der Geschichte und rächt sich an ihr, indem man sie kauft. Ein eigener Stil, ein Baustil, ist dem Bürgertum auf Grund seiner Geistlosigkeit verwehrt. Es läßt seine Bauten in der Art von Gotik, Renaissance, Barock errichten und findet Kunsthistoriker, welche diesen Dreck als Historismus beschönigen. Die politische Machtlosigkeit beraubt das Bürgertum seiner Geschichte, es wird historisiert.

Die politische Ohnmacht hat politische Folgen. Das Bürgertum unternimmt zwar nichts gegen seine Bevormundung, schwärmt aber in seinem wirtschaftlichen Erfolgsrausch von einer rauschaften Befreiung. Es stellt der Monarchie, einer Ansammlung von Ländern, die Nation entgegen, in welcher der Bürger auch die politische Macht hat. Wer dort lebt, ist nicht bloß Staatsbürger, er hat auch eine nationale Identität.

Das Wesen der Identität, sagt Hegel, ist die Nichtidentität. Behauptet ein Österreicher, er sei Österreicher, ist das unter allen Pleonasmen der dümmste. Die Aussage läuft darauf hinaus, daß der Österreicher versichert, gewiß kein Türke zu sein. Nur das macht ihn zu etwas Besonderem. Was drängt den Bürger, mit Hilfe solcher Abstrusität ein Selbstwertgefühl zu erschleichen? Die Rache für das, was ihm angetan wurde.

Das Bürgertum lebte nicht im Armenhaus. In diesem Fall hätte es sich als unterdrückt empfunden. Die Konstellation, ökonomisch mächtig, aber politisch ohnmächtig zu sein, in der Geschichte selten anzutreffen, gebiert das Empfinden, ausgegrenzt zu werden. Der nichtsnutzige Adelige verachtet den tüchtigen Bürger. Von dieser leidvollen Erfahrung bleibt er bis heute geprägt. Als auch der nicht Kapital akkumulierende Teil des Bürgertums, der nichtsnutzige Citoyen, den Bourgeois verspottet, wird der rabiat. Die leidvolle Erfahrung schlägt um in wahnhafte Rachsucht.

Der Bürger des 19. Jahrhunderts rechnet damit, daß die Zeitläufte ihm irgendwann einmal die politische Macht bescheren werden. Er rechnet der Menschheit vor, wie er diese Macht gebrauchen wird – indem er, der einstmals Ausgegrenzte, andere ausgrenzt. Ausgrenzung ist für ihn der Inbegriff politischer Machtausübung. Der Irrwitz kapitalistischer Ökonomie findet endlich sein Pendant in der bürgerlichen Politik. Damit der Irrwitz nicht im Gelächter untergeht, muß er sich aufplustern zu einem rationalen System. In dem gilt als Gipfel politischer Macht, als Höhepunkt der Ausgrenzung, der Tod des anderen. Adorno hielt ein Leben für erstrebenswert, in dem man ohne Angst anders sein kann. Für den Bürger ist erstrebenswert, daß man anders als er nicht sein darf. Wobei es immer um den Mann geht, die Frau zählt nicht.

Der Mensch, einstmals Ebenbild Gottes, hat ein Ebenbild des Bürgers zu sein. Ist er das nicht, dann gnade ihm Gott. Auf diesem Menschenbild beruht der moderne Antisemitismus. Man braucht ein Opfer und nimmt, was sich gerade anbietet. Ist es der Jude, ermordet man ihn und sucht sich ein nächstes Opfer. Das ist die einzige Konstante in der bürgerlichen Politik, deren Menschenfreundlichkeit darin besteht, sich jemanden vorzuknöpfen, den man ausgrenzen, abschieben, internieren, im Idealfall umbringen kann. Die Vorstellung, die das Bürgertum bietet, ist ein Trauerspiel, der Bürger ein erbärmlicher Held, der zum Schlag nur ausholt, wenn ihm ein Wehrloser gegenübersteht. Die Nazis waren militärisch unterlegen. Den Krieg gegen die Juden, gegen Wehrlose, der ihnen letztlich wichtiger war, gewannen sie.

Das Teuflische an diesem Krieg ist, daß er kein Ende nimmt. Der Fremde stirbt nicht aus. Er ist das Lebenselixier des Bürgers, welcher Selbstachtung nur gewinnt, indem er den Fremden verächtlich macht. Zum Helden wird man durch systematische Ausrottung des Wehrlosen. Richard Wagner hat das erkannt. Er war einer der ersten, die leidenschaftslos für die Ermordung der Juden plädierten. Maßlos sein Spott gegen die Pogrome der Christen, denen es zwar nicht an Grausamkeit, aber an Konsequenz und Systematik mangelte. Musikkenner zögern nicht, Wagners Musik, die mit primitivsten Mitteln auf Überwältigung aus ist, seinen Schriften als gleichwertig an die Seite zu stellen.

Das Bürgertum hatte lange Zeit gebraucht, bis es seine wirtschaftlichen, wissenschaftlichen, künstlerischen Leistungen in der Französischen Revolution mit der Eroberung der politischen Macht krönen konnte. Generationen aufklärerischen Denkens flossen in die neue Verfassung ein, die Napoleon in Europa militärisch durchsetzte.

Napoleon wurde besiegt, die Revolution aus der Geschichte getilgt, der Bürger stand da wie ehedem: politisch entmündigt. Wien, wo der Skandal diplomatisch abgewickelt wurde, ist seit damals der internationale Schauplatz der Reaktion. Flackerte eine Rebellion auf, wurde sie erstickt. Die bürgerliche Revolution 1848 stand auf gegen die Regierung und versicherte den Kaiser ihrer Treue.

Der junge Kaiser, der achtzehnjährige Franz Joseph, ließ die junge Revolution in Grund und Boden schießen. Das blieb sein Regierungsprogramm für die nächsten Jahrzehnte. Es fand seine Erfüllung 1914, als er mit seiner ganzen Macht auf einen Krieg drängte, der sich zum Weltkrieg auswuchs. Von der riesigen österreichisch-ungarischen Monarchie blieb das winzige Österreich übrig.

Anders als in Deutschland, wo die Reichswehr - ermuntert von sozialdemokratischen Ministern - Kommunistinnen und Kommunisten ermordete, lag in Österreich die Reaktion auf dem Boden. Die Schrumpfung der großen Monarchie zur kleinen Republik war für sie eine persönliche Niederlage. Karl Kraus, als einziger eines klaren Blicks fähig, sagte über die neue Republik, das schlechte Neue sei besser als das gute Alte. Diese Ansicht teilte niemand. Das Unheil nahm seinen Lauf.

Die christlich-soziale Partei, in welcher die Reaktion sich sammelte, flehte die Sozialdemokraten an, die Macht zu ergreifen, ein zynisches Angebot angesichts der chaotischen Situation. Die Sozialdemokratie befand sich in einer besseren Lage. Soldaten, die den Krieg überlebt hatten, vorher Arbeiter und Sozialisten, nahmen als Arbeiter -und Soldatenräte die Organisation des Alltags in die Hand. Es herrschten Hunger und Wohnungsnot. Die Räte hätten die neue, die erste österreichische Republik gestalten können, doch das scheiterte an der sozialdemokratischen Partei. Nicht daß ihr die Räte zu revolutionär gewesen wären. Um die Macht zu ergreifen, hätte sie über sich selbst hinauswachsen müssen.

Seit ihrer Gründung betont sie, das bürgerlich-kapitalistische System nicht stürzen, sondern reformieren zu wollen. Den Sozialismus möchte sie durch Wahlen, also gar nicht erreichen. Ihr Programm sind leere Versprechungen. Ein Revolutionär, der sich zu ihr verirrt, fühlt sich bald verraten. Karl Kraus stellte den Befund aus, die Sozialdemokratie sei eine staatlich approbierte Institution zur Vergeudung revolutionärer Energie.

Unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg waren die beiden großen Parteien, die christlich-soziale und die sozialdemokratische, in einem Punkt eins: die Erste Republik sei nicht lebensfähig. Die Sozialdemokraten träumten von einem Anschluß an ein sozialistisches Deutschland, die Konservativen von allerlei anderen Anschlüssen. Beide Parteien begingen gegenüber der Republik, die sie aufzubauen gehabt hätten, Hochverrat: eine der absurdesten Staatsgründungen, die es je gab.

Unverdrossen taten die Arbeiterräte ihr Bestes, sie schufen das Betriebsrätegesetz und die Arbeiter-Unfallversicherung, heute noch zwei Säulen des Sozialstaats. Die jetzige Regierung tut alles, um die Arbeiter-Unfallversicherung aufzulösen. Die Arbeiterräte wollten einen sozialistischen Staat, die Sozialdemokratie einen Sozialstaat. Jener hätte zur Voraussetzung gehabt, daß Arbeiter und Bauern die Macht ergreifen, dieser wird, sobald der politische Gegner die Macht hat, liquidiert.

Im Februar 1934 greifen Arbeiter gegen die Staatsmacht zu den Waffen. Die Welt blickt mit angehaltenem Atem auf Österreich. Dort herrscht seit einem Jahr eine klerikalfaschistische Diktatur. Welche Chance hat der Aufstand der Arbeiter? Diese Frage interessiert die Weltöffentlichkeit. Schließlich haben ein Jahr zuvor in Deutschland, wo es eine sehr starke sozialdemokratische und eine starke kommunistische Partei gab, die Nazis die Macht ergriffen, ohne daß der politische Gegner, wissend, daß er zur Schlachtbank geführt wird, sich gewehrt hätte, ohne daß ein Schuß gefallen wäre. Und nun ein bewaffneter Aufstand in Österreich.

Noch mehr überrascht als die Welt war die Führung der Sozialdemokratie. Sie mißbilligte den Aufstand und setzte sich ins Ausland ab. Die nachgeordneten Funktionäre boykottierten die Kämpfe, so daß das Militär nach einer Woche siegte und die Anführer der Rebellion am Galgen hingen. Die Aufständischen gelten bis heute für jeden Antifaschisten als Helden. Die Sozialdemokraten garantieren jedem, der regiert, jedweden Aufstand zu hintertreiben. Die faschistische Regierung, die, gemessen an ihren wirtschaftspolitischen Untaten, zwar regierungsunfähig war, verhalf, immerhin, dem österreichischen Bürgertum erstmals in seiner Geschichte zu dem Hochgefühl, der Herr im Haus zu sein. Die Jahre von 1933 bis 1938 waren eine wichtige Lehrzeit. Als Hitler einmarschierte und der Bourgeoisie in Aussicht stellte, sie demnächst zum Herren der Welt zu machen, wußte sie bereits, wie befriedigend es ist, Herr zu sein.

Das österreichische Bürgertum kennt in seiner Geschichte nur einen Glücksmoment, die fünf Jahre hausgemachter Diktatur. Einen gesellschaftlichen Fortschritt, der das bürgerlich-kapitalistische Himmelreich gefährden könnte, lehnt es aus gutem Grund ab, fühlt sich vor jenem Fortschritt aber nicht ausreichend geschützt. Ein sicherer Schutz war die Diktatur, nur sie würde einen vor dem Schlimmsten bewahren. Geduldig wartete man länger als ein halbes Jahrhundert auf die nächste Diktatur.

2017 war es so weit. Die Volkspartei - so nannten sich 1945 die Christlich-Sozialen, beeindruckt vom völkischen Triumph der Nazis - erkor einen jungen Mann zu ihrem Führer, weil er der Partei aufschwatzte, sie sei ab nun eine Bewegung. Er verlangte Vollmachten zur Alleinherrschaft, die man ihm willfährig zugestand, in der Hoffnung, der junge Mann habe das Zeug zum autoritären Führer. Die Partei irrte nicht. Der Traum von einer neuen austrofaschistischen Diktatur bleibt dennoch unerfüllt.

Dem Inhaber des Landes, also dem wahren Herrscher, dem Kapital, genügt der gegenwärtige politische Zustand, er braucht, da es keine Gegenwehr gibt, keine Diktatur. Die Industriellen überhäuften den jungen Mann im Wahlkampf mit so viel Geld, daß er auf die Mittel der Partei und somit auf die Partei nicht angewiesen war. Kleine und große Funktionäre fühlten sich nicht bedroht, sondern waren überglücklich, endlich wieder zu jemandem bewundernd aufschauen zu können. Der autoritäre Charakter des Konservativen findet seine Erfüllung, indem er sich einer autoritären Instanz unterwirft.

Der junge Kanzler regiert nicht allein. Er hat den richtigen Koalitionspartner gewählt, die FPÖ. Diese Partei beziehungsweise ihr Vorläufer, in der sich die Nazis zusammentaten, hatte es nach 1945 nicht leicht. Viele Österreicher waren Nazis, weshalb die Wahlkämpfe von SPÖ und ÖVP sich im Kampf um deren Stimmen erschöpften. Was der FPÖ an Anhang blieb, war der harte Kern. Das merkt man heute deutlicher als früher. Die mitregierende FPÖ holt ihr Personal aus allen braunen Löchern, vornehmlich aus Burschenschaften. Es ekelt einen. Man wußte zwar, in was für einem Land man lebt, aber da man hier lebt, wollte man es so genau nicht wissen.

Der Kanzler stößt sich nicht an seinem Regierungspartner, dessen Wirtschaftsprogramm wie das des Kanzlers dem der Industriellenvereinigung entspricht. Ihr Spiel ist nicht originell: Man nimmt denen, die fast nichts mehr haben, das Letzte, und gibt es denen, die nicht mehr wissen, wohin mit ihrem Reichtum. Das ist keine Frage der Moral, sondern der Macht. Die Linke, nach einer historischen Niederlage vor dreißig Jahren, genießt es immer noch, geschlagen worden zu sein, und kommt nur langsam und stolpernd auf die Beine. Das nutzen die Gegner und plündern die Bevölkerung aus, so gut und so lange es geht.

Was man den Leuten materiell nimmt, muß ihnen ideologisch ersetzt werden. Man serviert ihnen einen Feind, den Fremden, den Flüchtling. Der ausländische Habenichts ist schuld daran, daß die Inländer nichts haben. Das Bürgertum, traumatisiert durch Ausgrenzung, setzt diese ein, um andere zu traumatisieren. Das Kapital und seine Politiker, die Herren, verbünden sich mit den lohnabhängigen Massen, den Knechten, gegen den Fremden. Die historische Mission des Faschismus ist, die Arbeiterinnen und Arbeiter dem Kapital zuzutreiben. Wie faschistisch eine Gesellschaft bereits ist, kann man daran ablesen, in welch erbärmlichem Zustand die Arbeiterbewegung sich befindet. Die Gesellschaft zerfällt nicht mehr in Parteien, die Interessen vertreten, oben und unten, arm und reich verschmelzen zur Volksgemeinschaft.

Das führt zu einer moralischen und geistigen Verkommenheit, von welcher auch die Gegner der rückwärtsgewandten Politik befallen werden. Die Böswilligen grenzen den Flüchtling aus, die Gutwilligen integrieren ihn. Wehe ihm, wenn er das nicht will. Dann wird er hinausgeworfen aus dem Land, da verstehen die Gutwilligen keinen Spaß. Der Wahn, andere um jeden Preis zu integrieren, ist die liberale Spielart des Fremdenhasses. Der Flüchtling, der geflohen ist, um sein Leben zu retten, muß, kaum angekommen im vermeintlich sicheren Land, gleich wieder sein Leben retten, indem er sich integriert. Die Humanisten, die ihn dazu zwingen, erkennen nicht das Unmenschliche ihres Begehrens. Gerade indem sie Wert darauf legen, tolerant zu sein, machen sie sich zu Komplizen der Barbarei. Jemandem mit Toleranz zu begegnen heißt, ihn zu dulden. Geht man so mit Menschen um?

Gelingt einer Klasse wie in Frankreich die Revolution und entreißt man ihr dann diese Errungenschaft, bleibt sie verstümmelt zurück. Wenn man das nicht bedenkt, erschrickt man mehr als nötig vor der fratzenhaften Erscheinung des gegenwärtigen Bürgertums. Den Höhepunkt der Entstellung, den Austrofaschismus und den Nationalsozialismus, erreicht es nie wieder. In Frankreich hat das Bürgertum die Revolution verloren, in Deutschland und Österreich ist es sogar der Konterrevolution verlustig gegangen. Unter Berufung auf Hegel riskiert Marx die Kaprice, die Geschichte bringe jedes Ereignis zweimal hervor, einmal als Tragödie, einmal als Farce. Der Weg zurück, auf den ersten Blick ein Trauerspiel, ist nicht mehr als eine Posse.