Michael Scharang

 

Eine Heimkehrergeschichte

Kritiken

Günther Poidinger in der „Arbeiter Zeitung“, Wien, 19. November 1985

Michael Scharangs „Heimkehrergeschichte“ war eine sehr sensible Darstellung der ersten Nachkriegsjahre bei uns, die Konfrontation jener, die sich ohne Schwierigkeiten mit der neuen Zeit arrangierten, mit jenen, die, gezeichnet vom Krieg, sich nicht so leicht mit dem Fortgang des Lebens abfinden konnten.

Franz Manola in „Die Presse“, Wien, 18. November 1985

Nur wenige Wochen nach der letzten Folge von „Wohin und zurück“ in „Eine Heimkehrerge­schichte“ die Variation zum Thema Wien nach dem „Zusammenbruch“ und/oder seiner „Befreiung“. Sowohl bei Corti als auch nun bei Scharang der Versuch, in den Stunden Null, was sie eben nicht waren, nach den Keimzellen gewisser Wucherungen zu suchen, die die spätere gesellschaftliche Realität dieses Landes so unübersehbar verunstaltet von Idealvisionen wegwachsen ließen.

So sehr mich Cortis extravertierte, „große“ Inszenierung beeindruckt hat mit ihrem in diesen Breiten selten dermaßen souverän bewältigten Realismuskonzept, so wenig konnte ich mich Michael Scharangs intimem, eine riskante Künstlichkeit wenigstens stellenweise wagendem Entwurf entziehen. Man entsinnt sich überhaupt nur ganz weniger österreichischer Filme, die vortrefflicher die Tugend produktionstechnischer Kargheit genutzt hätten. Erneut drängte sich hier die Beobachtung auf, daß einige der für das Fernsehen arbeitenden Regisseure und Autoren intellektuell, künstlerisch, aber auch handwerklich meilenweit über den Witzbolden rangieren, die heute den österreichischen Kinofilm zu repräsentieren vorgeben.

 

 

cd in „Vorarlberger Nachrichten“ vom 11. Mai 1985

Gäbe es da nicht noch die „Lebenslinien“ von Käthe Kratz, wäre Michael Scharangs „Heimkehrer­geschichte“ (Montag, ORF) wohl einer der besten Fernsehfilme, die der ORF seit langem zum Thema Nachkriegszeit gesendet beziehungsweise produziert hat.

Ist die unmittelbare Lebensbedrohung vorbei, beginnt sich Korruption breit zu machen. Wer überleben will, mußte im Krieg töten und nach dem Krieg kuschen. Eine Neue Republik hatte nach dem Zweiten Weltkrieg begonnen - mit den alten Menschen.

Scharang skizziert nicht widerspruchslose Anpassung, sondern Ausweglosigkeit, Resigna­tion, Vertuschen und Vergessen. Dazwischen droht das bißchen Aufbegehren, der Schrei nach Menschlichkeit, zu ersticken.

 

 

Helmut Stöcklmair in „Neue Zeit“, Graz, 19. November 1985

Es könnte durchaus gewesen sein, daß ein alter Schauspieler im Untergrund lebte, bis der Nazi-Spuk vorbei war. Es könnte durchaus sich zugetragen haben, daß mit ihm die Tochter eines Direktors versteckt war und daß beide allmählich den Theaterfundus verhökerten gegen ein bißchen Milch und andere Lebensmittel. Und es könnte durchaus sich zugetragen haben, daß einige Soldaten nach ihrer Heimkehr versuchten, wieder aus dem Schlamassel herauszukommen. Jeder auf seine Wiese, die einen auf einem Thespiskarren, die anderen auf krummen Wegen zur Politik.

Gabriele Schuchter, vor allem aber Franz Morak hauchen dem Stück Leben ein. Sie sind allerdings die einzigen wirklich durchgezeichneten Figuren. Auch das Stück selbst nimmt immer mehr an Dichte zu, je weiter die Handlung fortschreitet. Zu Beginn kabaretthafter Züge nicht entbehrend, wird es zum Theater und schließlich zum Film, der mit Rückblend­ungen arbeiten kann.

Die Mischung der Stilmittel tut dem Stück ganz gut, wie auch vermutlich der Umstand, daß Scharang selbst inszenierte.

 

 

Helmut L. Demel in „präsent“ vom 28. November 1985

Die ersten eher mühsamen Einstellungen ließen den Verdacht aufkommen, daß sich der Film zwar hochkünstlerisch, aber nur mit bedeutsam aufgemascherlten Nichtigkeiten hinziehen würde. Wer trotzdem dranblieb, wurde immer stärker hineingezogen und dann wirklich fasziniert.

Man sah selten einen so sorgfältig und mit allen Licht- und Kameraraffinessen gedrehten Fernsehfilm. Dabei ist es kein Film nur L´art pour l´art für ein paar Cineasten oder sonstige Kunstinsider geworden. Die Effekte blieben realistisch, daß sie auch von einem breiten Publikumskreis angenommen und genossen werden konnten.

Natürlich gehören zu einem solchen Unternehmen auch besonders gute Darsteller. Scharang, der sein Drehbuch selbst inszenierte, hatte sie: Gabriele Schuchter, die als Chansonette brillierte, Franz Morak, Georg Schuchter, Robert Tessen - die Liste ließe sich fortsetzen. Es gelangen Szenen von packender künstlerischer Einheit.