Michael Scharang

 

Der Beruf des Vaters

Inhalt:

Wer ist Michael Scharang?

Worum geht es?

Personen und Handlungsort

Das Hörspiel realisieren

Aus dem Hörspiel

Herr Stocker: Reiß mir nicht das Heft aus der Hand. – Über was war denn zum Schreiben?
Frau Stocker: Du mußt umblättern.
Herr Stocker: Das weiß ich selber auch. – „Der Beruf des Vaters“. Also über meinen Beruf?
Fred: Ja.
Herr Stocker: Und da hast nichts gewußt?
Fred: O ja.
Herr Stocker: Und warum ist dann das Thema verfehlt?
Fred: Er hat gesagt –
Herr Stocker: Er! Er!
Fred: Der Fachlehrer hat gesagt, ich schreib nur indirekt über deinen Beruf.
Herr Stocker: Das muß ich mir anschauen. (Er liest und murmelt dabei vor sich hin.)
Frau Stocker: Lies laut!
Herr Stocker: Nein.
Frau Stocker: Dann gib her. Ich lese vor.
Herr Stocker: (verärgert) Bitte.
Frau Stocker: (liest) Mein Vater ist Dreher. Er arbeitet in einer Fabrik. Die Fabrik heißt Turboplan. Er geht in der Früh zur Arbeit und kommt am Abend nach Hause.
Herr Stocker: Was heißt: Am Abend?
Frau Stocker: Wenn er Überstunden macht, kommt er zwei Stunden später nach Hause. (Zu ihrem Mann) Also da hast jetzt deinen Abend. (Sie liest weiter) Er arbeitet im Akkord, weil er dabei mehr Geld verdient. Er arbeitet auf einer Drehbank. Er ist normal von 7 Uhr bis 5 Uhr beschäftigt.
Herr Stocker: Wie oft denn noch dasselbe?
Frau Stocker: Das war noch gar nicht. (Sie liest weiter.) Das Essen nimmt er von zu Hause mit, weil das Essen in der Kantine schlecht ist. Von dem Essen hat mein Vater ein Magengeschwür bekommen. Und vom Ärgern auch, wenn er so sagt und ein anderer sagt so.
Mein Vater arbeitet fleißig und ist am Abend immer müde. Deshalb hat er zu Hause am liebsten seine Ruhe.
Herr Stocker: Hätt er gern! Hätt er gern die Ruhe!
Frau Stocker: Sei mir nicht bös, aber viel anders hätt ich den Aufsatz auch nicht geschrieben.
Herr Stocker: Ein schönes Armutszeugnis stellt ihr euch da aus. „Der Beruf des Vaters“! Magengeschwür – das ist ein Beruf, nicht wahr. Und Kantine. Und von in der Früh bis am Abend arbeiten - das ist auch ein Beruf. Und ärgern. Und müd sein – das ist alles ein Beruf, nicht!? Was schreibt er noch. – Gib her das Heft. (Liest) Mein Vater ist Dreher. Gut. (Liest) Er arbeitet in einer Fabrik. Ja, aber in was für einer?
Fred: In der Turboplan.
Herr Stocker: Das weiß jeder Trottel. Aber was die Firma macht – das gehört daher. Also!
Fred: Ja – Achsen und so was.
Herr Stocker: Da hast du’s. Achsen! Getriebe, mein Freund! Getriebe für Zugmaschinen und zwar für die ganz schweren. Jetzt erzähl ich tausend und abertausendmal von diesen Riesenfahrzeugen und von diesen Getrieben, diesen Spezialgetrieben, die die brauchen. Und das geht beim einen Ohr rein, beim andern raus. Das gehört doch zu allererst, was die Firma überhaupt herstellt, in der der Vater arbeitet. – (Liest vor sich hinmurmelnd, ein paar Sätze weiter.) Was jetzt kommt, das ist alles Holler. Das hat wirklich nur am Rand mit dem Beruf zu tun. Da hat der Lehrer vollkommen recht.
Frau Stocker: Aber was hört denn der Fred von deinem Beruf?! Nichts anderes, als was er schreibt!